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11.03.2024

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Themen zur Chemie

von Michael Luthardtauthor: Michael Luthardt

pH-Wert und Löslichkeitsprodukt von Calciumhydroxid (Kalkwasser)

Aufgaben zum und mit dem pH-Wert von Calciumhydroxid findet man im Internet in großer Zahl, andererseits kaum konkrete Informationen in klassischen Hochschullehrbüchern. Die Situation ist insofern ähnlich wie schon für Schwefelsäure beschrieben, erweist sich bei genauer Betrachtung jedoch als mit noch mehr Fehlaussagen behaftet als diese.

Gemeinhin wird Ca(OH)2 als starke Base bezeichnet. Nun hatten wir bereits bei der allgemeinen next Berechnung von pH-Werten gesehen, dass Hydroxide keine Basen im Brønstedschen Sinne sind, sondern Salze.

Gemeinhin werden Salze in der Allgemeinen Chemie – bis auf wenige Ausnahmen bei Quecksilbersalzen – als in Wasser vollständig dissoziiert gelehrt. Wählt man im Chemiestudium nicht gerade die Theorie der Elektrolytlösungen als Vertiefungsrichtung, so bleibt es bei diesem Wissensstand. Vollständige Dissoziation ist aber eher die Ausnahme und wesentlich auf 1-1-wertige Salze wie KCl beschränkt.
Zweiwertige Ionen wie Ca2+ 1 liegen hingegen nur in – teils sehr geringen – Gleichgewichtskonzentrationen als solche2 vor. Für 2-1-wertige Salze wie Ca(OH)2 bedeutet dies stufenweise Dissoziation:
Ca(OH)2(s) ⇄ Ca(OH)+ + OH
Ca(OH)+ ⇄ Ca2+ + OH
     (1)
In der ersten Stufe nehmen wir in Wasser vollständige Dissoziiation an. Für die zweite Stufe ist die Gleichgewichtskonstante3 < 0,1.

Beim Calciumhydroxid kommen experimentell erschwerend seine geringe Löslichkeit und die langsame Einstellung des Lösungsgleichgewichtes hinzu sowie die schwierigere pH-Messung im stark alkalischen. Auch beziehen sich Literaturwerte4 zur Löslichkeit von Ca(OH)2 oft noch auf 20 °C, neuere thermodynamische und pH-Messungen hingegen auf 25 °C.

Für die Berechnung des pH-Wertes können wir den für next Schwefelsäure abgeleiteten Rechenweg vollständig übernehmen. Statt [H+] erhalten wir [OH], statt Ks2 setzen wir die Dissoziations-Gleichgewichtskonstante KD in (1) ein. Alle Berechnungen erfolgen zunächst mit Konzentrationen statt Aktivitäten.

Nur mit der ersten Stufe ergibt sich der pH-Wert zu pH = 14-(-lg(c)) mit c als analytischer Konzentration des gelösten Calciumhydroxids. Dies ist die untere Grenze für den pH; der wirkliche Wert wird wegen der Dissoziation der zweiten Stufe etwas darüber liegen.

Würden beide Stufen vollständig dissoziieren ergibt sich der pH-Wert zu pH = 14-(-lg(2c)). Dies ist die obere Grenze für den pH.

Auf Grund der notwendigen großen experimentellen Sorgfalt bei einer genauen Bestimmung des pH von Kalkwasser hat die Benutzung dieser Funktion vielleicht weniger praktische Relevanz, ist aber ein exemplarisches Beispiel zum pH mehrwertiger Hydroxide, gegebenfalls zum Löslichkeitsprodukt und zu den Eigenschaften der Lösungen mehrwertiger Elektrolyte allgemein.

Der pH von Kalkwasser als Funktion der Konzentration Die grafische Darstellung (zum Vergrößern ins Bild klicken) zeigt den Verlauf des pH bis zur Sättigungskonzentration bei 25 °C.

Die experimetellen Werte sind dem Lime Fact Sheet der NLA entnommen. Der dort zitierte pH Wert von 12,454 für die bei 25 °C gesättigte Lösung ist ein Referenzwert der pH-Skala.

KD wird in [5] mit 0,04 angegeben. Die beste Anpassung an die experimentellen pH-Werte ergibt sich ohne Berücksichtigung eines Aktivitätskoeffizienten mit 0,02 mol/L. Dem Unterschied in KD sollte man in Anbetracht dessen, dass wir mit Konzentrationen rechnen und die experimentelle pH Bestimmung schwierig ist, nicht zu viel Bedeutung beimesen. Wichtig ist hier, dass die Größenordnung richtig ist.

Diese gegenüber einer vollständigen zweistufigen Dissoziation verminderte Hydroniumionenkonzentration kann und darf nicht mit "Basenstärke" erklärt oder mit einer "Basizitätskonstante" beschrieben werden! Es ist verblüffend, dass 80 Jahre nach Brønsted und Lowry in Lehrbüchern und Tabellen immer noch Kb-Werte für Hydroxide angegeben werden.

pH_Calciumhydroxid Wollen wir mit Aktivitäten rechnen, stehen wir vor der Schwierigkeit, dass in einer Elektrolytlösung keine individuellen Ionenaktivitäten messbar sind. Hier haben wir die Spezies Ca2+, CaOH+ und OH, deren zugehörige individuelle Konzentrationen nicht bekannt sind, da wir zu ihrer Berechnung über die Gleichgewichtskonstanten die Aktivitätskoeffizienten benötigen, und wir zur Berechnung der letzteren wiederum die Konzentrationen bräuchten.
Eine erste Näherung besteht darin, zunächst mit Konzentrationen zu rechnen, mit diesen Aktivitätskoeffizienten zu berechnen und dann den pH erneut zu berechnen.
Für den hier gegebenen pH-Verlauf (zum Vergrößern ins Bild klicken) wurde zunächst mit KD(Ca(OH)+) = 0,04 die Konzentration [OH-] next berechnet und daraus mit der Annahme [Ca(OH)+] = c0 die Konzentration [Ca2+]. Mit den Konzentrationen von OH-, Ca(OH)+ und Ca2+ ergibt sich ein Aktivitätskoeffizient für Ca2+ 7. Mit diesem Wert kann man für jede Konzentration eine "korrigierte" Dissoziationskonstante unter Annahme gleicher Aktivitätskoeffizienten für Ca(OH)+ und OH- berechnen und mit dieser erneut den pH.
Bestimmt man mittlere Aktivitäten, letztlich das chemische Potential des Elektrolyten, experimentell, so würde zunächst offen bleiben, ob eine Abweichung vom idealen Verhalten durch interionische Wechselwirkung oder eine unvollständige Dissoziation oder beides verursacht ist. Gegebenenfalls muss man sich für eine von mehreren Interpretation der experimentellen Werte entscheiden.


Eine weitere beliebte Aufgabe ist die Berechnung des Löslichkeitsprodukts von Ca(OH)2 aus einem gemessenen pH-Wert; im Lichte der tatsächlichen Verhältnisse jedoch keineswegs trivial.

Zunächst müssen wir festlegen, welches Löslichkeitsprodukt wir berechnen wollen. Das stöchiometrische Löslichkeitsprodukt L ergibt sich aus der analytischen, für die Verbindung AmBn bestimmten molaren Restlöslichkeit c über die Stöchiometrie AmBn ⇄ m An+ + n Bm- mit L = [An+]m[Bm-]n zu L = mmnn cm+n molm+n/Lm+n. Die Restlöslichkeit der Verbindung im Gleichgewicht mit dem Bodenkörper ist dann c = (L/(mmnn))1/(m+n).
Für Ca(OH)2 ergibt sich mit einer Löslichkeit von 1,59 g/L Lösung bei 25 °C 6 L = 4 [Ca2+]3 = 3,9‍⋅‍10‍‍-‍5 mol3/L3.
Eine andere Sache ist das thermodynamische Löslichkeitsprodukt KL = am(An+) an(Bm+). Zu seiner Ermittlung müssen die Aktivitäten von An+ und Bm+ beziehungsweise der mittlere ionische Aktivitätskoeffizient wie für jede Berechnung einer thermodynamischen Gleichgewichtskonstante bestimmt werden.
Aus dem pH-Wert finden wir unmittelbar die Aktivität der OH-Ionen. Die Konzentration der Calciumionen und der mittlere Aktivitätskoeffizient lassen sich unter Berücksichtigung der zweistufigen Dissoziation mit KD=0,04 mol/L zu 0,0117 mol/L und 0,74 näherungsweise berechnen. Damit ergibt sich KL zu 7⋅10‍-‍‍6 mol3/L3 in guter Übereinstimmung mit tabellierten Werten8, 9 für KL und für die freien Standardbildungsenthalpien von Ca(OH)2(s), Ca(OH)+, Ca2+ und OH.

Versucht man, wie in der überwiegenden Zahl derartiger Aufgabenstellungen ausgeführt, ein Löslichkeitsprodukt direkt aus dem pH-Wert zu berechnen, so ergibt sich L = 1/2⋅[OH]3 = 1,15‍⋅‍10‍‍-‍5 mol3/L3, ein Wert, der für die analytische Restlöslickeit zwangsläufig ein falsches Ergebnis liefert.


Werfen wir noch kurz einen Blick auf Magnesiumhydroxid und Bariumhydroxid.

Für die Löslichkeit von Mg(OH)2 finden sich tabellierte Werte zwischen 9 und 12 mg/L zwischen 18 und 20 °C. Interessanterweise stammt der erste Wert noch von Kohlrausch und Rose aus dem Jahre 189310; 12 mg/L sind wohl etwas zu hoch11.
Die Dissoziation der zweiten Stufe, also von Mg(OH)+, ist wesentlich geringer als die von Ca(OH)+; die Gleichgewichtskonstante wird von Robinson und Stokes12 mit 0,0026 mol/L zitiert.

Durch die geringe Dissoziation der zweiten Stufe kann man Magnesiumhydroxid hinsichtlich des pH der reinen Lösung in seinem gesamten Löslichkeitsbereich mit hinreichender Genauigkeit als einbasisches Hydroxid betrachten. Mit 10 mg/L, entsprechend 0,17 mmol/L, als Löslichkeit bei Raumtemperatur finden wir so für den pH der gesättigten Lösung 10,2. Unter Einbeziehung der zweiten Stufe ergibt sich der nur wenig höhere Wert 10,5. Letzterer findet sich, allerdings unkommentiert, in den meisten Lehrbüchern.

Die dissoziatiative Abspaltung nur einer Hydroxidgruppe in Wasser darf nicht mit dem Ergebnis einer Säurezugabe verwechselt werden. Selbstverständlich würde Magnesiumhydroxid sich dann als zweibasische Verbindung verhalten und zwei Säureäquivalente neutralisieren.
Die geringe Dissoziation der zweiten Stufe ist auch die Ursache für die geringfügige Acidität der Lösungen von Salzen des Magnesiums mit starken Säuren.

Bariumhydroxid hat eine Löslickkeit von 0,23 mol/L und die Dissoziationskonstante der zweiten Stufe ist nach Robinson und Stokes12 0,22 mol/L. Hier ergibt die Rechnung ohne Aktivitätskorrektur pH-Werte von 13,4, 13,5 und 13,7 für vollständig einstufige, zweistufige im Gleichgewicht und vollständig zweifache Dissoziation.


           
1 und erst recht dreiwertige wie La3+, gleiches gilt für Anionen
2 Der Chemieunterricht nährt bis heute die Vorstellung der Existenz höherwertiger Ionen als isolierter Spezies. Dazu trägt erheblich die unkritische Einführung und Verwendung von Oxidationszahlen bei; es ruft regelmäßig Erstaunen im weiterführenden Unterricht hervor, dass es sich bei Mn2O7 um eine kovalent gebundene Flüssigkeit handelt oder dass UF6 ebenso ein kovalentes Molekül ist. Tatsächlich werden bei höherwertigen Ionen die langreichweitigen! elektrostatischen Kräfte so groß, dass es immer zu Ionenpaarung oder – in festen Salzen – zur Ladungsübertragung vom Anion auf das Kation kommt und sich die effektiven Ladungen bis hin zur kovalenten Bindung und vollständigem Verlust des Salzcharakters reduzieren. Ein schönes Beispiel ist auch die Erniedrigung des Schmelzpunktes beim Übergang von NaCl zu MgCl2, der sich bei rein ionischer Bindung erhöhen sollte. Bei den Anionen ist dies zwangsläufig stärker der Fall als bei den Kationen; O2- ist das einzige Anion, bei dem in einigen festen Verbindungen -2 als effektive Ladung erreicht wird.
3 Es kommt nicht darauf an, ob es sich bei Ca(OH)+ um ein rein elektrostatisches (Bjerrumsches) Ionenpaar oder eine chemische Bindung handelt. Entscheidend ist hier allein, dass unterschiedliche thermodynamische Eigenschaften der Lösung durch die Annahme eben jener Gleichgewichtsverteilung konsistent beschrieben werden können. In vielen Fällen läßt sich die Existenz von "Ionenpaaren" als individuelle Spezies auch direkt spektroskopisch nachweisen.
Es ist überhaupt erstaunlich, dass in der Allgemeinen Chemie Bindungsverhältnisse und Stabilität, wie sie für Komplexe gelehrt werden, bei der Besprechung von "einfachen" Elektrolytlösungen keine Rolle spielen. Welchen Unterschied gibt es in dieser Hinsicht z. B. zwischen Zn2+ + 2 Cl und Zn2+ + 4 Cl ⇄ [ZnCl4]2-?
4 Ganz abgesehen von oft fehlenden Angaben, worauf sich die Werte beziehen, z. B. pro g Lösung oder Lösungsmittel, und insgesondere bei Gleichgewichtskonstanten Molarität oder Molalität. Dann wird auch schon mal das molalitätsbezogene Ionenprodukt des Wassers mit analytischen Molaritäten verrechnet.
5 R. A. Robinson, R. H. Stokes, Electrolyte Solutions, 2nd ed. 1959, Butterworth, London, 1970, p. 411f.
Dieses bemerkenswerte und jedem an der Thematik interessierten sehr zu empfehlende Buch erschien in letzter Auflage 1959, wurde jedoch bis 1970 immer wieder nachgedruckt. Heute wird es aus Bibliotheken ausgesondert.
6 Die geringe Abweichung der Dichte der Lösung von 1 sei vernachlässigt.
7  5, p. 231f., eq. (9.13).
8 Справочнк по неорг. химии, Р. А. Лидин и др., Химия, Москва 1987
9 Für genaue Berechnungen, bei deutlichem Abweichen der Dichte der Lösung von 1 kg/L und bei bei Konzentrationen oberhalb 0,1 m in Wasser muss man berücksichtigen, dass sich tabellierte thermodynamische Werte einschließlich Aktivitätskoeffizienten zumeist auf Molalitäten beziehen und die Debye-Hückel-Gleichung den rationellen, auf Molenbrüche bezogenen Aktivitätskoeffizenten f± liefert. Leider befinden sich in Tabellensammlungen der Sekundärliteratur hierzu kaum Angaben.
10 Kohlrausch und Rose, Z. Phys. Chem., 1893, 12, p. 241
11 George C. Whipple and Andrew Mayer, Jr., Public Health Pap Rep. 1905; 31 (Pt. 2): 151ff.
12  5, p. 412.

17.5.2010/21.04.2024

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